Telenotfallmedizin für eine bessere Patientenversorgung

Telenotfallmedizin für eine bessere Patientenversorgung

Wie digitale Technologien Menschen an unterschiedlichen Orten verbinden, hat das letzte Jahr eindrücklich bewiesen – auch in der Medizin. Telemedizinische Angebote waren und sind gefragter denn je. Ein Beitrag in der Fachzeitschrift „Notfallmedizin up2date“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2020) zeigt, wie Mediziner in Telenotarztzentralen Rettungskräfte vor Ort anleiten, um so eine zeitnahe, qualitativ hochwertige notfallmedizinische Versorgung für Patienten sicherzustellen, wenn kein Notarzt vor Ort ist.

Medizinische Notfälle erfordern wichtige Entscheidungen innerhalb kürzester Zeit. Hierfür sind sowohl Erfahrung im Umgang mit Notfallpatienten als auch ein hohes Maß an medizinischer Kompetenz erforderlich. Doch nicht immer erreichen Notärzte zeitgleich mit dem Rettungsdienst den Einsatzort. In kritischen Situationen können Patienten dann nicht sofort ärztlich versorgt werden und wertvolle Zeit vergeht. Die prähospitale Telenotfallmedizin löst dieses Problem des dualen Rettungsdienstsystems: Treffen die Rettungssanitäter vor dem Notarzt beim Patienten ein, können sie per Audioverbindung einen erfahrenen Notfallmediziner kontaktieren, ihm die vorgefundene Notfallsituation schildern, während die Vitaldaten des Patienten in Echtzeit an den Telenotarzt übertragen werden. Zusätzlich ist ein Videostreaming möglich. Die entscheidenden Minuten bis zum Eintreffen des Notarztes werden dann genutzt, um eine ärztliche Diagnostik zu initiieren und eine entsprechende Therapie zu beginnen.

Für die Erstautorin und Anästhesistin Dr. Camilla Metelmann, die den Artikel gemeinsam mit weiteren Mitgliedern des Wissenschaftlichen Netzwerks Prähospitale Telenotfallmedizin* verfasst hat, steht eine verbesserte Patientenversorgung im Mittelpunkt der Telenotfallmedizin. Sie praktiziert selbst als Telenotärztin und kennt die Vorteile der digitalen Verbindung zum Rettungsdienst aus eigener Erfahrung. Neben der Zeitersparnis in besonders zeitkritischen Notfällen, bietet die Telenotfallmedizin noch weitere entscheidende Vorteile. So können junge Notfallsanitäter, die sich zum Beispiel in der Phase zwischen Ausbildung und eigenständigem Arbeiten befinden, bei aufkommenden Fragen einen Telenotarzt konsultieren. Aber auch Notärzte vor Ort können sich bei schwierigen Einsatzlagen oder seltenen Erkrankungen die Zweitmeinung eines Kollegen einholen. Zudem können Telenotärzte bei Einsätzen unterstützen, die andernfalls ohne Notarzt absolviert werden müssen. „Auch kann ein Telenotarzt Patienten ambulant behandeln, was einen Transport in die Notaufnahme eines Krankenhauses mitunter verhindern kann. Das entlastet die Notaufnahmen und erspart dem Patienten einen unnötigen Transport“, so Metelmann.

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In verschiedenen Projekten wird die Telenotfallmedizin in Deutschland bereits seit vielen Jahren erprobt und wissenschaftlich begleitet. Sowohl in Stadtgebieten, wie in Aachen, als auch in ländlichen Regionen, wie im Nordosten Mecklenburg-Vorpommerns, konnten krankenkassenfinanzierte Telenotarztsysteme realisiert werden. Auch in der ärztlichen Versorgung von geografisch abgelegenen Orten, wie etwa den Halligen oder Offshore-Anlagen, leistet die prähospitale Telenotfallmedizin wertvolle Dienste.

Zahlreiche Studien belegen mittlerweile die Praxistauglichkeit der telenotärztlichen Versorgung. Angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels trägt sie dazu bei, dass die Verfügbarkeit der Ressource Notarzt für alle Patienten sichergestellt wird. Auch das Patientenfeedback fällt positiv aus: Die Ergebnisse einer Befragungsstudie, die in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt wurde, zeigen, dass sie überaus zufrieden mit der telenotärztlichen Versorgung sind. Und auch aus rechtlicher Perspektive spricht nichts gegen den Einsatz von Telenotärzten. Metelmann erklärt diesbezüglich: „Ärztliche Hilfe kann in Notfällen auch auf telematischem Weg aus der Ferne geleistet werden, ohne dass ein Notarzt am Einsatzort sein muss.“

Die Anwendung von Telenotarztsystemen stößt allerdings dort an ihre Grenzen, wo die Netzabdeckung unzureichend ist und wo neben der medizinischen Expertise des Telenotarztes auch manuelle ärztliche Fähigkeiten gefragt sind, wie bei der Versorgung schwerverletzter Patienten.

Das Forschungsnetzwerk Telenotfallmedizin wurde 2019 ins Leben gerufen. Es handelt sich dabei um eine Interessensgemeinschaft von Betreibern von Telenotfallmedizinzentralen in Deutschland. Ziel ist ein stetiger Gewinn von wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Einsatz von Telemedizin im notfallmedizinischen Einsatzspektrum. Dazu finden regelmäßige Treffen an den verschiedenen Standorten statt, um einen kontinuierlichen Austausch zu aktuellen Themen oder bspw. gemeinsame Publikationen zu ermöglichen. Mitglieder des Forschungsnetzwerks sind die RWTH Aachen, das Universitätsklinikum Greifswald das Klinikum Oldenburg und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein.

C. Metelmann et al.:
Prähospitale Telenotfallmedizin

(thieme.de)

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